TOBIAS MORETTI

TOBIAS MORETTI

Tobias Moretti liest Peter Prosch auf Radio Tirol

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Text von Tobias gelesen :

Wie mir meines Vaters Schwester, Anna Proschin, sagte, kam ich Anno 1745 unter dem Gerstenschneiden an das Tageslicht, aber nicht auf die Welt; denn mein Eingang in die Welt war wunderbar: indem meine Mutter vom Gerstenschneiden nach Hause kam, entfiel ich ihr unter der Haustür; zum Glück kam meines Vaters Schwester, gedachte Anna Proschin, über einen Berg herunter, eben vom Gerstenschneiden dazu, und machte mich von meiner Mutter los, welche eine überaus große Freude hatte, einer solchen Bürde entlediget zu werden.

Nun (Gott sei Lob) itzt bin ich in der Welt, und in der heiligen. Taufe wurde mir der Name Peterl beigelegt.

Gregori Prosch und Anna Mayrin waren meine sehr arme, aber doch ehrliche Eltern.

Es waren unser eilf lebendige Geschwisterte, unter welchen ich der jüngste Zweig war; wir wurden alle sehr arm erzogen, so, daß wir öfters statt der Morgensuppe bis auf Mittag im Bette mit Schlafen zubringen mußten.

Doch wir wuchsen allgemach herbei, weil unsere Mägen niemals zu stark überladen wurden, und waren insgesamt frisch und munter.

Unsere Eltern hatten ein kleines Söldenhäuschen bei Ried im Zillerthal, genannt Taxach zu Kopper; gehört unter die hochgräfl. von Tannenbergische Herrschaft, und Gericht Rothenburg am Inn. Meines Vaters Schwester war eine Bötin nach Schwatz, wo unser Graf von Tannenberg wohnet; ich ging auch bisweilen mit ihr, und kam auf diese Art in des Grafen Haus; er sah mich, ich gefiel ihm, und nun war er entschlossen, mich etwas lernen zu lassen, behielte mich auch öfters so lange im Hause, bis meines Vaters Schwester, welche alle Wochen dahin ging, wieder kam.

Unter dieser Zeit brauchte man mich zum Ausschicken, und zu allerhand kleinen Verrichtungen im Hause. Der itzt regierende Graf Ignatz war ein junges lustiges Herrl, und hatte mich gerne zum
Spielen und Herumlaufen im Hause bei sich; ich hatte gute Tage im Essen und Trinken, mußte aber wieder mit meiner Bäsl nach Haus. Weil mir aber meine Kameraden Riepl Michäl, Seitner Urbl, Knappenhoißl, Kapfinger Märtl, und Klärl Sepäl neidig waren, daß ich öfters beim Grafen im Hause  war, legte mir Schuster Märtl den Spitzname: das junge Gräfl, bei, woraus dann der Name: Taxach Gräfl entstund, so wir als dann öfters hören werden.

Meine Mutter starb auch unterdessen. Ich verlor also frühe meinen Vater und Mutter, und das Häuschen überkam mein Bruder Aenderl, welcher ein gar böses Weib hatte, welches uns geschwind alle  miteinander aus dem Hause jagte. Wir waren also unser vier unerzogene Geschwisterte auf weitem Felde. Weil wir kein Vermögen hatten, hatten  wir auch keinen Vormunder, und so nahm sich kein Mensch unser an, bis endlich meine Schwestern zu Kindsdiendeln angenommen wurden.

Ich ging also außer Landes mit noch einem Kameraden ins Bayern, als ein herumlaufender Ölträger, im zehnten Jahre meines Alters, und weil ich die Medizin nicht verstünde, auch der Hunger mich niemal ungeschoren ließ, so hausierte ich die meiste Zeit bei den Bäurinnen in den Kucheln um Nudeln herum, anstatt mit meiner Handelschaft etwas zu erobern; denn, wenn ich meine Kraxen voller Nudeln hatte, war ich reich und vergnügt, und niemand hatte weniger Sorgen und Bekümmernis, als ich; ich durfte mir auch nicht fürchten, daß ich bestohlen würde. Mein Nachtlager war ein Bund Stroh oder eine Bank in der Stube. Nun fing ich an, meine Eltern zu verschmerzen, weil es mir so gut ging, und mein Magen doch alle Tage mit Dämpfnudeln gestopfet wurde. Ich dankte oft meinem ehrlichen Görgen, daß er mir solch einen guten Rat an die Hand gab. Ich wanderte mit meiner gedachten Handelschaft noch eine Zeitlang in Bayern herum, und kam sodann in Schwaben nach Augsburg, Dillingen und Dischingen, wo ich im Markte beim obern Bauern über Nacht blieb. Ich sah allda Heiducken, Läufer und Bediente, und fragte, was dieses für ein Volk sei, und was es bedeute? Man sagte mir, es sei in diesem Schloß ein
großer Fürst, nämlich der Fürst Taxis, und viele Herrschaften.

Den Tag darauf wollte ich mit meiner Apothek ins Schloß hinauf hausieren, und war begierig einen Fürsten zu sehen, weil ich nicht wußte, wie er aussehen sollte.

Ich kam beim Schloßtore an; allein, wie erschrak ich ob dem Laute: Wo aus? denn es hatte mich noch niemand so stark angeredet; die Schildwache verwehrte mir den Eingang, und ließ mich nicht passieren.

Ich nahm meine Kraxen von der Achsel herunter, ging beiseite, und setzte mich darauf, guckte und fragte immer, was dann das für ein Gespreng, Gefährde und Reiterei aus und ein sei? – Man fragte mich, wo ich her sei, was ich machte, und was ich in meiner Kraxen habe? Ich gab meine Antworten, und erfuhr zugleich, daß der Fürst bald auf die Jagd fahren wollte.


Voller Freuden wartete ich, und wenn ich auch den ganzen Tag hätte hungerig sitzen bleiben müssen, so wäre ich doch nicht von der Stelle oder meiner Kraxe gegangen, um nur das
fürstliche Wunder zu sehen.

Endlich kam ein Vorreiter, und hintennach vier Läufer, unter welchen ein Italiener war, mit Namen Augustin, dieser rief mir, und sagte: He, du kleiner Tyroler, kannst laufen?

Jawohl!

So lauf mit uns.

Ich legte sogleich meinen Stock auf meine Kraxen, und lief mit ihnen beiläufig anderthalb Stund bis in den Eglinger Wald, wo die Jagd versammelt war. Es war lächerlich, so einen kleinen weithosenden Tyroler unter vier schön geputzten Läufern zu sehen.

Die Jagd nahm ihren Anfang, während welcher einige Kavaliere zu mir kamen, und mich um verschiedenes fragten; ich gab ihnen kurze tyrolische Antworten. Es war mir zwar unterdessen leid um meinen Stock und Apotheke, doch aber lief ich überall mit ihnen herum. Nach vollendeter Jagd kam es auch zu den Ohren des Fürsten, daß ein fremdes Wild in der Jagd ersehen worden, nämlich ein kleiner weithosender Tiroler. Der Fürst verlangte mich zu sehen, und ich noch mehr einen Fürsten betrachten zu können.

Er ließ mich zu sich kommen. Itzt fing ich an zu spüren, was Herrschaften sind; noch niemals habe ich vor einem Menschen gezittert, aber itzt führte man mich zitternd Schritt vor Schritt, meinen Hut unter dem Arm, dem Gezelte zu,wo viele Kavalier und in der Mitte ein großer starker majestätischer Herr war, der mich sanft anredete: Wo kommst du her, kleiner Jung?

Aus Tyrol.

Von wo?

Von meiner Mutter.

Das zweifle ich nicht.  Kannst du gut laufen?

Du hast's wohl gesehen. 

Willst du es lernen, und bei mir bleiben? 

I wohl! 

Hast du auch Eltern? 

Gehabt habe ich wohl eine, aber itzt habe ich keine mehr. Itzt weinte ich laut, und sagte: O meine liebe Mutter! 

Das mag ein guter Jung sein, sagte der Fürst, man bringe ihn ins Schloß, ich will für ihn sorgen. 

Der Zug ging wieder zurück, und ich lief wieder mit. Als ich wieder zurückkam, erblickte ich mit Freuden meinen Stock und Kraxen, nahm solche auf den Buckel, und wollte marschieren. Alle sagten, ich sollte hinein ins Schloß; ich sprach: ich mag nicht!

Warum?

Dort steht einer mit einem Schnauzbart, einer Bölzkappen, einem Säbel an der Seite, und einem Schoißer auf dem Arm; er sieht so trotzig aus, und schreiet die Leute so scharf an; er möchte mich erschießen, und deswegen mag ich nicht. Alle lachten, und ließen mich gehen, ich wanderte dem Markte zu, und machte unterwegs meine Gedanken, daß die Fürsten auch aussehen wie andere Menschen. 

Wie ich so moralisierte, kam der Läufer Augustin und sagte: He! frisch auf, Tyroler! wie heißest du?

Den ganzen Tag Peterl.

Du sollst mit mir ins Wirtshaus gehen, und sollst auch nicht mehr da schlafen.

Hast du Gnaden vom Fürsten bei dir in dem Sack?

Ja, ich soll für dich bezahlen.

Hat dein Fürst einen großen Vorrat von Gnaden?

Ja, so viel wir alle brauchen und verdienen.

Ich stund freudig auf, wir gingen ins Wirtshaus, wo wir aßen und tranken, und ich wurde sodann in ein gutes Bett geführt, wo ich ganz herrisch und ruhig schlief, und die ganze Nacht mit nichts als großen Herren, Fahren und Reiten zu tun hatte. Den andern Tag kam ein Schneider, und nahm mir das Maß zu einer Läuferkleidung, ich aber wurde dem Wirt auf Befehl des Fürsten in Kost und Quartier übergeben, bis meine ganze Kleidung fertig war.

Ich führte ein unbekümmertes Leben; meine Apotheke verkaufte ich einem Tyroler, ich blieb beim Wirte in der Kost; Heiducken, Läufer und andere Bediente nahmen mich mit sich zu allen Lustbarkeiten, und die Zeit wurde mir also ganz kurz, bis meine Kleidung fertig war. Endlich kam der Tag, an welchem ich sollte aus- und angekleidet werden; es kam der Läufer Augustin, und holte mich ins Schloß; ich wurde in ein Zimmer geführt; es kam der Barbier, er packte aus, und wollte mir die Haare abschneiden; weil aber unter selben die meisten meiner Untertanen verborgen waren, machte ich aus Furcht und Schamhaftigkeit große Augen, und dachte: was will das werden? ich mußte es aber doch geschehen lassen; nach diesem führte man mich in die Hofwaschkuchl, und sperrte die Türen zu.

Es waren da sechs französische schöpfigte Weibsbilder, der Läufer Augustin, Barbierer, Leibkutscher, und zwei Heiducken, wie auch eine große Waschwanne voll warmes Wasser in Bereitschaft.

Da sollte ich mich auskleiden, und das wollte ich nicht tun. Es braucht nicht viel Zeremonien, sprach einer; die Heiducken und der Leibkutscher packten mich an, und hielten mich, und die sechs schöpfigte Weibsbilder hatten meine wenige Kleidung bald vom Leibe, und ich lag in der Wanne. Itzt ging es ohne Barmherzigkeit mit ihren Waschbürsten über mein armes Leder her; vom Kopf bis zu den Füßen wurde ich so zerrieben, daß gewiß kein großer Herr auf der ganzen Welt, von Noe an bis auf gegenwärtige Zeit, so stark frottiert wurde. Es gingen mir die Augen über, und unten ließ ich das Wasser, und vor Ängsten habe ich geschwitzt: also gingen dreierlei Wasser von mir. Nun dachte ich mir, was es doch kostet, wenn man ein Herr werden will! Doch in einer halben Stunde war die Marter vorbei, und ich werde gewiß in meinem Leben nicht mehr so andächtig gereiniget. Einige gingen davon; Mademoiselle Frechera trocknete mich mit Fleiß und Andacht ab, brachte mir ein Pfaid und Unterhosen, und ich wurde in ein Bett geführt, wo ich zwei Tage und Nächte in einer Herrlichkeit fortgeschlafen habe.

Endlich den dritten Tag brachte man mir meine neuen Läuferkleider; ich wurde mit diesen angezogen und in den Schloßhof geführt, wo viele vom Hofe um mich herum gingen, und den jungen Tyroler nicht mehr kennen wollten.

Ich bekam nach diesem mein Mittagessen, einen Trunk Wein, und durch den Läufer Augustin den Auftrag, daß ich mich heute bei der fürstlichen Tafel sollte sehen lassen.

Ich war in meiner ganzen Herrlichkeit, aber doch nicht so kommod, wie in meiner weiten Tirolerhose. Es wurde zur Tafel geblasen, und wie das Konfekt aufgetragen ward, führte man mich in den Saal. Potz Plunder! was das für ein Gerenn, Geläuf und Gepräng war, auf und ab, hin
und her; alles hatte die Hände voll zu tun.

Da hab' ich g'schaugt, und sah noch nichts von der Tafel; denn weil sie dick hintereinander um die ganze Tafel herum stunden, so konnte ich auch nicht sehen, wer in der Mitte war; ich habe geglaubt, sie essen alle im Stehen; man führte mich hinein, und machte Platz; itzt sah ich die
Herrschaft, erschrak, und wollte wieder zurücke; der Fürst aber rief mir: komm her, Kleiner! Man ließ mich nicht hinaus, und führte mich zu ihm hin; man lehrete mich das Rockküssen sowohl dem Fürsten als der Fürstin, worauf die Fürstin sogleich befahl, mir einen Teller voll Konfekt zu geben, welches ich in der Geschwindigkeit verzehrte. Sie war eine liebe, schöne, große und gravitätische Frau, eine geborene Fürstin von Fürstenberg. Itzt war ich schon heimlicher, und der Fürst und andere Herrschaften sagten, daß sie kaum mehr glauben können, daß ich der kleine weithosende Tyroler sei; sie hätten mich alle lieb, und beschenkten mich mit ein und andern Sachen von der Tafel: ich wurde hüpfend und mit Freude in mein Quartier zurückgebracht. Nun wurde beschlossen, mich dem Läufer Augustin in die Lehr anzuvertrauen, welcher mich auch, zwar für Bezahlung, freudig annahm. Es waren unser drei Lehrjunge, und wir mußten alle Tage 4 Stunden weit, nämlich nach Dillingen, spazieren laufen; ich war ihm der liebste, und deswegen bekam ich nicht viele Schläge von ihm.

Eines Abends ging ich wie gewöhnlich schlafen, da träumte mir ganz natürlich: ich wäre zu der guten Kaiserin gekommen, hätte meinen Hut unterm Arm, welchen sie mir voll Geld geschenkt und mir auch auf einen gewissen Flecken, wo eine alte Brechlstube gestanden, eine Wohnung und ein Brandweinhüttel bauen lassen.

Voll Freude erwachte ich, dankte meinem Schöpfer, sprang über die Stiege hinab, und erzählte es meiner Schwester, welche just kochte; diese lachte mich aus, ich aber achtete es nicht und ging flugs, den Platz zu betrachten, welchen ich so fand, wie ihn mir der Traum geschildert hat.

Der Bauer, welchem dieser Platz zugehörte, hieß Anton Krapf, ein alter ehrlicher Mann, welcher eben einen Steinwurf weit davon einen Zaun machte. Ich ging zu ihm hin, und sagte: Guter Toni, sei doch so gut, und gib mir das Plätzl, wo die Brechlstube steht, zu kaufen (welches etwa 6 bis 7 Schritte ins Quadrat ausmacht), die Kaiserin läßt mir ein Haus darauf bauen.

Woher weißt du dann das?

Es hat mir heute Nacht so natürlich davon geträumt, daß ich glauben muß, es sei gewiß.

Armer Jung, du erbarmest mich, ich will dir ihn geben, du kannst dich darauf verlassen. Deine Eltern hab' ich gut gekannt, waren auch brave Leute; ich hätte ihn zwar schon öfters verkaufen können, aber du sollst ihn haben.

Wie teuer? Zween Gulden, ein Skapulier und ein Gläsl Brandwein.

Die Hand darauf! richtig.

Wir gingen miteinander hinauf zu meinem Schwager, welcher mir die zween Gulden vorstreckte; ich bezahlte ihm damit den Platz, gab ihm auch das Skapulier und ein Fräckäl Brandwein.

Gelt, Schwester, es wird wahr, was ich dir heut morgen gesagt hab'? Itzt glaubst du es wohl? denn ich hab' wirklich schon Grund und Boden, und durch unsern Herrgott und die Kaiserin bekomm' ich auch ein Haus, und werde noch reich; darnach will ich mir erst recht gute Schmalznudeln kochen, und sie mir recht schmecken lassen.

Zehnmal des Tags ging ich hin, meinen Platz zu besehen, legte mich darauf, und sah mein künftiges Haus schon in Gedanken.

Ich hatte weder Rast noch Ruhe; ich mußte zu der Kaiserin meine Reise antreten, obschon alles meiner spottete, und mich jedermann auslachte.

Endlich ward der Trieb so stark, daß ich mich nun wirklich auf den Weg machte. Ich nahm in einem gemalten gläsernen Fläschl eine Maß Kirschengeist mit mir, und wanderte im Gottes Namen durchs Tal hinaus, ohne einen Kreuzer Geld oder Zehrung, nach Innspruck zu: weil ich gehört hatte, daß dort große Herren wären, welche über alles zu befehlen hätten, so dachte ich mir, wird wohl auch die gute Kaiserin dort zu Hause sein. Ich kam den ersten Tag über acht Stunden weit, ohne einen Bissen geessen oder etwas getrunken zu haben, nämlich bis gegen Hall. Der Hunger plagte mich, und matt ward ich auch; da begegnete mir ein Herr in einer Chaise, (wie ich es hernach erfragte, war es der Baron Crusina); dieser fragte mich: was fehlt dir, kleiner Duxer? und warum weinest du?

Narr! wenn dich so hungern tät, wie mich, so würdest du auch nicht lachen

Hungert dich denn stark?

Ja, ich habe heut' noch nichts ge..geessen.

Wo willst du dann noch hin?

Ich gehe zu der Kaiserin.

Was willst du dann bei ihr machen?

Ich habe da ein Fläschl Kirschenbrandwein, den gebe ich ihr, und sie läßt mir ein Häusl bauen.

Willst du mit mir auf mein Schloß, dort, so du siehst? ich will dir zu essen geben, will dich über Nacht behalten, und du mußt mir noch mehr erzählen.

Jawohl!

Er nahm mich also zu sich in den Wagen, und wir fuhren hinauf ins Schloß unweit der Foldererbrücke.

Da wir ins Schloß kamen, empfing ihn seine Frau. Schatz! sagte er, hier bring ich dir einen kleiner Duxer: er begegnete mir auf dem Wege, und weinte aus Hunger; du mußt ihn recht füttern lassen.

Ja, mein Schatz! er ist ein hübscher Jung, er gefällt mir.  Und zu mir: du bleibst noch ein paar Tage bei mir da; ich habe eine Schwester zu Hall im königl. Stift, ich besuche sie bald wieder, ich will dich mit mir nehmen, wer weiß, ob sie dich in dem Stift nicht annehmen, oder brauchen können.

Ich war mit allem recht wohl zufrieden; denn ich sah, daß er alles sehr gut mit mir meinte.

Dem dritten Tag fuhr er wieder hinein, und nahm mich mit sich in den Wagen. Als wir in das Sprachzimmer kamen, sah ich mit Verwunderung bei zehn schwarzgekleidete Weibsbilder, wie Jesuiten, und auf den Köpfen hatten sie Piretter. Es war die Gräfin Arko, das Oberste, die zwo
Gräfinnen Fugger, des Barons Schwester, Frau von Stotzingen, Frau von Aufseß, Fräulein Severin und andere mehr. Sie grüßten mich, und redeten freundlich mit mir.

Diese alle versprachen mir Rekommandationen und Briefe mitzugeben. Kurz, meine Reise wurde beschlossen. Die Frau Oberstin, Gräfin von Arko,zahlte mir das Schiff, und die Stiftsfräulen legten mir eine Zehrung von 7 fl. zusammen.

Wir kamen Anno 1757 im Monat September zu Wien an, und in der Rossau auf dem Schänzl landeten wir an ;Indem so tausend Menschen vorbeigingen, kam auch Graf Spauer aus Tyrol, Domherr von Salzburg, und itzt regierender Bischof von Brixen. Dieser hatte die Gnade, mich zu fragen:

Wo kömmst du her?

Aus Tyrol.

Und was machst du hier?

Ich zeigte ihm meine Briefe, und erzählte ihm mein ganzes Vorhaben und Anliegen. Auf dieses nahm er mich mit sich in sein Quartier, und ließ mich bei seinem Kutscher schlafen.

Den Tag darauf gab er mir zween Siebenzehner, und ließ mich durch seinen Bedienten zum Hrn. von Spers führen. Ich gab ihm den Brief von seinem hochwürdigen Herrn Bruder; er hatte daran eine große Freude, und behielte mich diesen Tag ei sich, fragte mich um alles aus, welches ich ihm alles aufrichtig erzählte. Den andern Tag führte mich dieser Herr selbst zur Gräfin Martinitz. Dieser war den vorigen Tag ihr Schoßhündl gebissen worden, nd befand sich sehr übel; das war ein Lamentabl; ich hatte ein kleines Büchsel Theriak bei mir, legte ihm davon ein kleines Pflästerl auf seine Wunde, und das Hündl kam schleunig zur Genesung. Nun war ich in der besten Rekommandation, und wurde auch mit etwas beschenkt. Die Gräfin und der Herr von Spers ließen
mich nachher in das emanuelische Stift hinaus führen, wo in einem Saal viele junge Kavalier versammelt waren, unter andern waren auch junge Grafen von Taxis aus Tyrol zugegen. 

Den 23. September im vorgemeldten Jahr ministrierte ich auch rechter Hand, beim St. Antoni de Palma Altar.

Die Kaiserin fuhr aus, und kam früher in die heilige Messe auf das Oratorium als gewöhnlich, und ich und mein Kapuziner waren noch beim Altar. Als der Dienst kam, nämlich Schweizer, Trabanten, Gardisten, und ein ganzer Lärm Herrschaften, da sperrte ich Maul, Augen, und Ohren auf, und
glotzte ärger, als in der Wäsche zu Disching.

Die heilige Meß ging zu Ende, und beim Evangelium St. Johannis nahm ich das Buch auf einen Arm,
kehrte mich gegen die Kaiserin, machte einen Kniebucker, und begrüßte sie mit der Hand; sie lachte und ging zurück, und ich mit meinem Kapuziner in die Sakristei: da mußte ich warten, bis alles aus war, vorher konnte ich nicht zur Tür hinaus.

Wie alles vorbei war, ging ich auch, wie andere Menschen, zur Tür hinaus. Gähling kam ein Kammerdiener in einem weißlichten Rocke und einem mit Gold bordierten Kamisol; dieser fragte mich: Wie eißest du?

Peterl, war meine Antwort.

Wie nock?

Presch, aus Tyrol.

Du solls mit mir gommen zu Ihrer Majestät der Gaiserin, sie will dick spreck.

Mit Freude, Furcht, Angst und Zittern wanderte ich mit ihm durch die Wachten, und über die Stiegen hinauf. Im zweiten Stock im Saal hieß er mich warten; ich war barfuß, und meinen Hut hatte ich unter dem Arm. Zu oberst auf der Stiege stunden zween Schweizer in weiten Pumphosen,
Kragen um den Hals, und spitzigen Hüten.

Bei einer Tür war ein deutscher und ein ungarischer Nobelgardist. Ich schaute um und um,
wispelte ein Stückl, und alle, die da waren, lachten, weil sie sahen, daß ich nicht wußte, was ich tat. Aus Furcht und Erwartung der Dinge, die da kommen sollten, kam mich wirklich das Prunzen an. Endlich ging bei einer Tür in einer Ecke ein Kammerfräulein heraus; wie ich es hernach erfahren, war es die Gräfin Insagin. Ich kniete gleich nieder; denn ich glaubte, es wäre die Kaiserin selbst; sie lachte, und sagte: ich bin's nicht, sie wird aber gleich kommen; du sollst indessen da hinein gehen. Sie machte mir eine Tür auf, ich ging hinein; sie machte die Tür hinter meiner wieder zu, und ich wußte nicht mehr, wo ich hineingekommen war.

Aber wie erstaunte ich, als ich mich umsah, und mehrere als zwanzig weithosende Tyrolerbuben um mich her versammelt sah. Ich ging darauf zu, und gab einem die Hand, er gab sie mir auch,
bis ich mit meiner Hand an der Wand anstieß; ich erschrak, kehrte mich um, und sah wieder nichts als lauter solche Buben, die mir alle akurat gleich waren; ich lachte, sie lachten auch, ich hüpfte, sie hüpften auch. Itzt kamen traurige Gedanken, und ich zweifelte, ob ich bei mir selbsten wäre, denn ich konnte mich gar nicht fassen.

Endlich ging rechter Hand weit droben im Saale eine doppelte Tür auf.

Der Saal war glatt, die Kaiserin kam herein, ich lief ihr entgegen, schlüpfte, und fiel auf den Buckel.

Ich raffte mich geschwind wieder zusammen, und kniete nieder. Die Kaiserin kam herbei und sagte: Steh auf! Ich stund auf; und sie sagte:Grüß dich Gott, Kleiner! Bist du der Tyroler, der mir rekommandiert worden ist? und gab mir die Hand zu küssen.

Ich küßte ihr aber den Küttel, und sagte: Dank dir Gott! Bist du unsre Kaiserin Maria  Theresl? Da außen vor der Tür war auch so ein Mensch, ich hab gemeint, du bist's; sie hatte einen goldenen Spulen an der Seite, und glöckelte Schnürchen.

Sie lachte, daß ihr der Bauch geschottert hat, und sagte: jene war's nicht, ich bin eure Kaiserin; was willst du von mir haben?

Ich lief um einen Sessel, und sagte: hocke dich nieder.

Sie sagte aber: ich hocke so alleweil, sag', was willst du von mir?

Die doppelte Tür, wo die Kaiserin herauskam, war voller Köpfe; sie hatten ein solches Gelächter, daß die Kaiserin mit der Hand zweimal gedeutet, und gesagt, man sollte schweigen, sonst könnte sie mich nicht verstehen.

Ich fing nun an, und sagte: Schau, meine liebe Kaiserin, ich bin ein armer Bub, ich habe weder Vater noch Mutter, und logiere bei meiner Schwester unterm Dach auf dem Heu. Da träumet mir in
einer Nacht von dir, weil ich es von den Leuten sagen gehört, daß du ein so gutes Mensch bist, ich sei zu dir gekommen, und habe dich gebeten, und du habst mir lassen auf einem gewissen Flecken, wo eine alte Brechlstube gestanden ist, welches Fleckl ich um zwei Gulden, einem
Skapulier, und ein Fräckäl Brandwein gekauft habe, ein Brandweinhäusl bauen; auch habest mir einen Hut voll Geld geschenkt; den Hut hatte ich just so, wie ich ihn itzt in der Hand habe. Ich bitte dich, sei doch so gut, und tu es mir! ich will in meinem Leben für dich beten.

Ja, du sollst es haben, sprach sie, wenn es niemand einen Schaden tut; und gab mir ihre Hand zu küssen; ich küßte ihr aber wieder den Küttel.

Ja, Kaiserin! schau, du mußt mir auch einen Zettel mitgeben; denn unsere Herren sind nicht so leichtgläubig, und dich hätte ich darnach auch nicht mehr bei mir, und so würde vielleicht aus der ganzen Sache nichts.

Ich will es dem Graf Kotegg sagen, daß er dir einen Brief an den Gouverneur Enzenberg mitgibt, der wird es hernach schon glauben.

O! ich bitte dich, vergiß es nicht.

Nein, ich vergesse es nicht, heut soll es noch geschehen. Kannst du auch umgehen mit Brandweinbrennen?

Ja, ich habe es von meiner Mutter gesehen, und hätte dir ein Fläschl voll Kirschenbrandwein mitgebracht (itzt entfuhr mir ein Seufzer), aber es ist mir zu Hall in dem Stift zerbrochen.

Sie lachte darüber, und sagte: ich trinke keinen. Was machen dann die Stiftsfräulen zu Hall?

Die Gräfin Arko samt dem ganzen Stift legt sich dir zu Füßen.

Wenn du hinauf kommst, grüße sie mir. Was sagen dann sonst die Tyroler von mir, haben sie mich lieb?

Ich hab dir's ja schon gesagt; wenn ich nichts Gutes von dir gehört hätte, so hätte mir auch nichts Gutes geträumet, und ich wäre auch heut nicht bei dir; durchaus in unserm ganzen Lande vom Größten bis zum Kleinsten sagt ein jeder, du seist das beste Mensch, und die Welt bringt uns kein solches Weibsbild mehr hervor, wie du bist.

Sie lachte herzlich, und sagte: das freut mich, ich habe die Tyroler auch gern, denn sie sind treu und aufrichtig. Sie griff mit ihrer linken Hand in ihre Kamisoltasche, nahm vierundzwanzig Kremnitzer Dukaten heraus, und opferte solche in meinen Hut.

Itzt verließ mich der Atem; ich setzte den Hut auf den Boden nieder, das Handküssen, welches man mir vorhin verboten hat, habe ich vergessen: ich küßte ihr also die Hand, nahm sie bei der Mitte, sprang und hüpfte um sie herum, und sang: Drall lalla, Drall lall la! Wer war nun reicher und herrlicher als ich?

Ja, Kaiserin, sagte ich, wenn du einmal ins Tyrol kommst, will ich dir gewiß auch etwas schenken, weil du mir ein Häusl bauen läßt.

Nun kam der alte Görg, Glück, Traum, Wien, Kaiserin, Brandweinhüttl, Hut voll Geld, und alles in Erfüllung. Die Kaiserin lachte, daß sie geschottert hat, und ich hüpfte und tanzte vor ihr. Sie nahm Behüt Gott! man machte die Tür auf, ich tanzte so hinaus, hüpfte durch die Wachten, welche alle lachten, über die Stiegen hinunter, hatte meinen Hut, worin die Dukaten waren, auf einem Arm

Den Tag darauf um 11 Uhr wurde ich gerufen, wohin? in einen großen Saal. Da waren die Elephantin von Spanien, des Kaisers Joseph seine erste Gemahlin, die Erzherzoginnen Maria Anna, Christina, und Elisabeth, auch noch viele Damen und Herrschaften zugegen. Sie fragten mich um allerhand Dinge aus, und ich antwortete ihnen: die Spanierin ausgenommen; denn diese verstunde nicht Deutsch, und ich nicht Wälsch. Es kam ein Spielmann herbei, und ich mußte mit des General Dauns Tochter eines tanzen. Sie hatte einen großenReifrock an, und ich kam ihr nicht auf den Leib; denn ich war zu klein.So tanzte dann ein jedes auf seine Partie: ich machte Sprüng und
Burzelbäume; alle lachten, und hatten eine große Freude. Jede Erzherzogin schenkte mir drei Dukaten, und ließen mich darnach gehen.

Ich lief wieder zum Graf Künigl, und gab ihm das Geld. Nun habe ich genug, sagte ich, ich bleibe nicht mehr hier, sondern gehe nach Haus.

Vom Grafen Künigl bekam ich das Dekret zum Häuslbauen, wie es hier folgt.

Ich Alexander Joseph des h. R. R. Graf v. Künigl, Freiherr zu Ehrenburg und Wart, Herr zu Campan, Inhaber der Herrschaften Schönegg und Richelspurg, Erblandtruchseß der fürstlichen Grafschaft Tyrol, Ihrer K. K. apost. Majestät etc. etc. wirklicher geheimer Rat, Kämmerer und Oberstjägermeister im Ober-Österr. Landen, auch Schützenoberst; bekenne hiemit von obtragendem Oberstjägermeisteramts wegen, daß von ob Allerhöchst-gedacht Ihro R. K. K. apost. Majestät etc. etc. dem ehrsamen Peter Prosch zu Ried, Gerichts Rottenburg am Inn, auf sein
alleruntertänigst, allergehorsamstes Bitten, jene an sich erkauft und von den Häusern ziemlich entlegene Hütte samt dem in der Breite sechs, und in der Länge ungefähr sieben Klaftern austragenden Grunde zu einer Bewohnung mit einer Stube, Kammer und Feuerstatt, oder Kuchl zu
errichten, dann bei solcher neuen Behausung, weil er, Prosch, ohnedas berechtigter Brandweinbrenner ist, den erzeugenden Brandwein all ingrosso verteilgeben zu därfen, vermög sub dato sechsundzwanzigsten Oktobris dies zu Ende gesetzten Jahrs meinem obhabenden Amt zugefertigt allerhöchsten Resolutions-Intimati allergnädigst verwilliget worden, also, daß er, Prosch, solche Wohnung in obbemeldter Maß bauen und dabei den Brandwein in Kraft des ihm, Prosch, ausgefertigten Patents brennen möge, jedoch daß er, Prosch, gehalten sein solle, drei Kreuzer Feuerstattszins in das herrschaftliche Rottenburgische Urbarium alljährlich zu erlegen, derentwillen obrigkeitlich gefertigten Revers abzugeben, und eine Oberst-Jägermeister-Amtliche Verleihungs-Urkund zu erheben: folglich hierum zu Folge weiterer Verordnung de dato Novembris
ejusdem anni gegenwärtige Verleihungs-Urkund auf ihn, Prosch, ausgefertigt, und dem sodann erteilt worden sei.

Zu wahrer Urkund dessen habe ich vom bemeldten Amts-wegen mein gräflich angebornes Insiegl (doch mir, meinen Erben, und Insiegl außer des Amts in allweg ohne Schaden) allda unter setzen, mithin diese Urkund andurch bekräftigen, und also gefertigter letzt erholtem Prosch zustellen lassen. So geschehen zu Innspruck dem zehnten Tag Monats Novembers im ein Tausend sieben Hundert ein und sechzigsten Jahre.

Vom Graf Künigl überkam ich darauf mein Geld, welches von seinem Vater von Wien per Wechsel
übermacht worden ist, und reiste mit Freuden nach Hause.

Das Häusl wurde in Zeit von zwei Jahren nach und nach ausgebauet.

Nun waren wir verheuratet und brachten ein und dreißig Jahre, sieben Monate, und fünf Tage zusammen. Mein Weib hat mir die von ihrer sel. Mutter ererbte 500 fl. Hauptsache, und in Mobilien eine Polsterziehe, ein Unterbett, ein Pfännl und eine Hanfhächl zugebracht. Mein Hausrat
war, wie vor gemeldet, ein Mehltrüchel, ein Mehlwändl und ein Schmalzemmerl. Außer den Hochzeitgeschenken, welche mir die Stiftsfräulen zu Hall machten, habe ich noch allda bekommen ein ganzes Bett, zwölf geräucherte Schinken, einen Wiener Mätzen geröttelte Gerste, acht Pfund Butter, einen Wiener Mätzen weizenes Mehl, einen kupfernen Hafen zum Brandweinbrennen, ein Wachsstöckl, von Rosenkränzen und Bildern einen ganzen Lärm, einen Windling, eine Beißzange, ein Hämmerl und ein Leimpfännel. Nur wurde ich von gehörten Fräulen wegen dem bedauert, daß ich so jung geheuratet habe.

Wir lebten beisammen in Liebe und Unschuld vierzehn Tage, und hatten noch einige Überbleibseln von unsrer Hochzeit. Eines Tages auf dem Abend waren wir ganz allein und vergnügt beisammen, aßen eine kleine Schüssel voll Schmarren, tranken zwei Fräckele Brandwein und gingen miteinander schlafen: Courage! wir bekamen in der Nacht den ersten Prozeß. Den Tag darauf beim Mittagessen konnte ich sie und sie mich aus Schamhaftigkeit nicht anschauen. Wir hausten nun je länger je lieber friedlicher und einiger fort.

Endlich starb meines Vaters Schwester, meine selige Fräule Tante. Diese wurde ehrlich begraben und hinterließ ein ansehnliches Vermögen von acht französischen Talern; unser waren acht lebende Geschwisterte, mithin bekam ein jedes einen Taler, und diese warmeine erste Erbschaft. Ich verlegte mich wieder auf meine Öl- und Theriak-Handelschaft und ging mit einem Briefe von der alten Gräfin Fugger auf das Land durch Bayern ins Schwaben nach Augsburg. Es war eben um die Zeit, als der Bischof von Freysing und Regensburg, itz'ger Kurfürst von Trier, unter dem Prinz Joseph von Darmstadt, als Bischof von Augsburg, zum Koadjutor erwählt wurde. Ich wurde durch den Baron von Zech, als Oberststallmeister zu Augsburg, welcher ein geborner Tyroler und mein Landsmann war, bei Hofe aufgeführt. Der Bischof Joseph war der gemeinste, aufgeräumteste, und liebenswürdigste Herr; er gewann mich lieb, so, daß ich täglich in der Residenz bei der Tafel erscheinen mußte. Es war alle Tage große Tafel; ich sah den Kurfürst von Trier, und das Koadjutorwerden freuete mich herzlich; ich gab auch deßwegen keine Ruhe und sammelte von den Domherren die Vota: ich bekam deren dreizehn, und kaufte mir zu dem Ende ein Schwäbischgmünder Kreuzl. Eines Abends wurde in der Gesellschaft zu meiner Koadjutorweihe zugerichtet.

Zu dem Ende wurde ein Stuhl in die Mitte des Zimmers gestellt: ich bekam einen Schurz um die Mitte, einen langen Bart von Flachs, eben eine solche Bischofshaube, und also setzte ich mich auf den Stuhl.

In mein Maul steckten sie mir einen silbernen Teller, mein langer Bart hing unten hinaus, und ich mußte noch in jeder Hand eine brennende Kerze halten.

Nun ging der Zug um mich herum an, wobei ein jeder eben eine brennende Kerze in der Hand hatte. Einer hatte den Schwangkessel in den Händen, welcher mit Wasser gefüllet war, um, wenn es sollte brennend werden, zu löschen.

Sie gingen um mich herum, sangen und opferten mir ein jeder auf meinem in dem Maul gehaltenen Teller etwas, bis gähling einer mit seinem Lichte mir in den Bart kam, welches ich
wegen dem Teller nicht sehen konnte. Flugs fuhr die Flamme in meine Bischofshaube, weil Bart und Haube aneinander hingen; ich warf eilends Leuchter, Geld und Teller weg, und hatte zu wehren, daß ich das Feuer von mir bringen konnte. Der Greiffenklau aber, welcher mit dem Wasser im Schwangkessel die Flamme löschen sollte, kam so ins Lachen, daß er den Kessel samt dem Wasser fallen ließ. Mir aber hat die Brunst meine Haare, Ohrwäschl, und den ganzen Kopf so verbrannt, daß große Fetzen Haut herunterhingen.

Einer lag dort, der andere da, vor lauter Lachen, und ich war in der Mitte, wohl ein barmherziger Koadjutor. Ich ließ mich in meinem Leben um die ganze Welt nicht mehr so weihen, und wollte
lieber zu Hause noch natürliche Schafe hüten. Die Herren kamen endlich wieder zu sich, und klaubten mir das Opfer zusammen, welches bei 13 fl. war.

Ich wurde sodann zum Hof-Chirurgus geschickt, welcher mich verband und heilte

Eine Stunde vor der Ankunft in meine Heimat ging mir mein liebes Weib entgegen. Vor Freuden, daß sie mich wieder sah, fuhr sie mir um den Hals, weinte, und sagte: Mein Schatz! Gott hat unsre zwei Kindern zu sich genommen, und du triffst zu Hause keines mehr an. Je nun, als Vater  betrübte es mich doch auch, und tat mir im Herzen leid, daß ich sie nicht mehr gesehen habe; ich sagte zu ihr: Mein Schatz! bekümmere dich nicht so viel, und gib dich zufrieden, es war ja der Willen Gottes; man soll heutiges Tages froh sein und Gott danken, wenn einem unser Herr Gott die Kinder zu sich nimmt; du siehst ja, wie hart man sich fortbringen muß, und wie ausgelassen und boshaft die Welt ist. Wenn man nicht Vermögen vom Hause aus hat, und sie versorgen kann, so weiß man nicht, wo oft dergleichen Kinder hinkommen, und wie es ihnen ergeht; im Gottes Namen.

Unter diesen Gesprächen kamen wir bald nach Haus. Wir zogen uns aus, sie brachte mir warmes Wasser, und wir wuschen uns. Auf die Nacht kochte sie mir Wassernudeln mit Käse, und erzählte mir, was unter dieser Zeit zu Haus passiert sei; wir gingen darauf schlafen. Ich blieb einige Tage zu Haus, und ging alsdann nach Innspruck, um meineWaren zu bezahlen. Ich kam zu der Gräfin von Trapp, welche mich gerne sah, und mit mir Mitleiden hatte, wie auch zur Gräfin von Künigl,
Tannenberg, Taxis, Wellersberg und Lodron.

Unter andern ging ich auch mit einem Memorial, wegen meiner Wirtschaft, die mir die Kaiserin
Maria Theresia versprochen hat, zum Gouverneur Grafen von Enzenberg, und gab ihm solches, mit Bitte, er möchte mir dazu verhülflich sein. Da ich wohl bekannt war, kam ich durch nterschiedliche Zimmer in der Residenz, unter andern durch den annoch schwarz spalierten Riesensaal ins Vorzimmer, wo unser höchst selige Kaiser Franz so schnell und unversehen dahin gestorben ist.

Ein Schauer durchdrang mich, das Andenken an mein durch den so schnell erfolgten Tod verursachtes Unglück, und an die das letztemal hier gesehene betrübte Kaiserin Marien
Theresien kam wieder in mein Gemüt und Seele so lebhaft zurück, daß ich ganz niedergeschlagen und traurig mich aus der Residenz hinaus machte, noch zu ein und andern Herrschaften, und hernach ganz betrübt wieder von Innspruck in das Zillerthal nach Haus ging. Unterwegs stiegen schwarze Wolken und allerhand melankolische Gedanken in meiner Seele auf; der Tod schwebte wieder vor meinen Augen, und ich kam ganz niedergeschlagen und betrübt nach Haus zu meinem Weibe, welche gleich sah, daß es mit mir nicht recht richtig wäre. Wir hatten uns einander lieb, deswegen war sie für mich bekümmert, und grämte sich sehr; sie ließ mich die wenigste Zeit allein: ihr Bruder Michael Fiechtel war meinHofmeister, und mußte auf mich acht haben. Es ging so eine Zeit vorbei. In der Frühe war ich ganz munter und aufgeräumt, bis Nachmittag gegen 3-4 Uhr wurde ich betrübt und niedergeschlagen; vor langer Weile fing ich an zu weinen, und wußte nicht, warum: es kam mir alles verdrüßlich vor; das dauerte schier alle Tage bis 9-10 Uhr in die Nacht, wo ich ruhig wurde, und wieder einschlief. Eines Tages stund ich auf, und wir gingen in unsre Kirche. Die Leute sahen mich an, und es wurde überall bekannt, daß ich melankolisch wäre. So ging eine geraume Zeit herum. DieLeute, wie auch der geistliche Herr Provisor besuchten mich öfters, er sprach mir zu, und suchte mir die Sachen aus dem Kopfe zu bringen. Ich und mein Weib gingen wallfahrten auf St. Georgenberg. Ich ließ mir öfters zur Ader, aber es wollte nichts helfen und besser werden, so daß viele Leute mit mir Mitleid trugen, manche auch mir es wohl gönnten, weil ich ihnen zu glücklich war, und darum hatte ich sowohl Freunde als Feinde.

Es war an einem Sonntag auf dem Abend, daß Leute in meiner Stube beim Tisch mit Karten spieleten, nämlich meine zween Schwäger, Knappell Hoißl, und Schuster Sepäl; ich und mein Weib sahen Ihnen zu. Ich hatte aber keine Freude daran, doch merkte man an mir nicht, daß es mir im Gehirn fehlen sollte. Aus der Stube ging eine Tür in ein kleines Zimmerl, welches nur ein Fenster hatte, in diesem war meines Schwagers Bett, und meine Bücher, die ich von ein und andern
Herrschaften geschenkt bekommen hatte. Es ging auch von der Haustür ein Riemen in dieses Zimmerl herab, daß, wenn wer klopfte, man die Tür aufziehen konnte. Da ging ich hinein, nahm ein Buch, und legte mich nieder. Mein Weib legte sich auch in der Stube auf eine Bank hin. Die
andern karteten fort bis in die Nacht hinein. Ich lag eine Weile, und es kam der alte Anfall wieder. Ich ward sehr ängstig und schwermütig: allein war ich, und so henkte ich mich an dem Riemen auf. Was ich itzt schreibe, haben mir hernach meine Leute gesagt: wenn ich nur daran denke, stehen mir noch die Haare gen Berg. Wie lange ich aber gehangen bin, weiß ich nicht.

Es ward Abend. Ich hatte zwo Geißen hinter dem Hause in einem Ställerl. Diesen wollte mein Schwager das Nachtfutter geben, ging ums Haus bei diesem Fenster vorbei dem Ställerl zu; weil
ich aber schon lange ruhig war, schauete er zum Fenster hinein, und wollte sehen, ob ich schlief; er sah mich aber hangen. Vor Schrecken sprang er zurücke, konnte nicht reden, ließ sich aber nicht die Zeit, die Schnalle bei der Tür aufzumachen, und so brachte er sie nicht auf. Da die andern beim Tische hörten, was geschehen sei, fuhren sie geschwind auf, sprengten die Türe ein, und sahen mich auch sogleich hangen. Mein Weib fiel aus Schrecken in Ohnmacht; sie lösten oder
schnitten mich herunter, und legten mich auf das Bett: weil sie aber kein Fünklein Lebenszeichen mehr bei mir spürten, und in Furcht waren, ich wäre schon verschieden, so wurde beschlossen, mich wieder hinauf zu henken.

Allein mein Weib ließ das nicht geschehen, und also blieb ich liegen. Das Haus wurde gleich gesperrt, und mein Weib schickte geschwind um den Bader, welcher auch gleich mich besichtigte, aber nichts anzufangen wußte: er schlug mir eine Ader, aber es ging kein Blut. Also blieben sie um mich bis 10 Uhr, und mein liebes bedrängtes Weib schickte noch um ein paar Mannsbilder zum Wachen.

Nach 10 Uhr spürten sie bei mir Leben, sie rüttelten und schottelten mich, die geöffnete Ader fing an zu bluten, und es stieß mir einen Topfen Quark zum Mund heraus, so groß, wie ein Finger und in der Form eines geschnittenen Stücklein Käses. Ich spürte grausames Halsweh, und bekam starke Gichter, so daß sie mich an Händen und Füßen festhalten mußten. Man ließ die Ader wieder laufen, verband mich, und gab mir auch ein: so lag ich in einer Art von Raserei bis 4 Uhr in der Frühe, wo es endlich nachließ und ruhig wurde. Ich kam zu mir selbst, schwach und matt, und
spürte noch grausames Halsweh. So lag ich bei 6 Tage; der Bader kam täglich zweimal, und stellte mich wieder ziemlich gut her. Ich stunde auf, ging in meine Kirche, und mit andern Leuten um, und konnte kaum glauben, was sie mir von dieser Geschichte erzählten. Ich war etwas bessers, doch noch nicht ganz richtig, denn auf dem Abend spürte ich allezeit meine Traurig- und Schwermütigkeit; daher mir meine Freunde rieten, ich sollte Waren einkaufen, und damit wieder auf das Land gehen,

Betrachte ich einerseits viele meiner Kameraden, unter welchen ich aufgewachsen bin, meine Geburt, meine Armut, und zugleich meinen gegenwärtigen Zustand, so bin ich ziemlich glücklich: wenn ich aber andrerseits überlege, wie viele gute Gelegenheiten ich gehabt habe,bei Großen, nämlich bei Kaiser, König, Kur- und ander Fürstens-Personen, mit welchen ich die höchste Gnade genossen, manche Stunden in ihren Kabinettern und im Vertrauen zu sprechen, mein Glück so
gut zu machen, daß ich in meinen alten Tagen hätte hoffen sollen recht wohl versorgt und vergnügt leben zu können; dieses aber noch niemals gänzlich habe erlangen können, da doch viele Menschen, wenn sie nur die Gnade hatten, eine und die andre Stund, oder wenige Augenblick lang mit einem Großen allein zu sprechen, herrliche Bedienstungen, reichliche Versorgung und große Gnaden erlangen, dardurch sie für ihre ganze Lebenszeit glücklich sind; so muß ich mich mit der göttlichen Vorsehung trösten, und denken: überlaß dich fernerhin demjenigen, der dich solang erhalten, und für dich in Glücks- und Unglücksfällen so väterlich gesorgt hat. Nach diesem hoffe auf deine Freunde und Gönner, von welchen, wie dein verflossenes, also auch dein künftiges Schicksal abhängt. Unterdessen ist nichts bessers, als wenn man mit dem vergnügt und zufrieden ist, was man hat, und dabei fröhlich singt:

Menschenschicksal ist wunderbarn;
Tugend ist des Herzens Lohn.
Dieses hab ich schon erfahr'n:
Ohne sie, was ist ein Thron?

Ich lache über Schlösser, vom G'schütz bewachet,
Verhöhne den Kummer, der an Höfen lachet,
Verhöhne des Geizes in verschlossnen Mauern,
Einfältig's Trauern.

Freunde! laßt uns Golddurst, Stolz und Hochmut hassen,
Und Kleinigkeiten Großen überlassen.
Der Schöpfer ruft uns: Kummt zum Sitz der Freuden
Auf meine Weiden.


Quelle : https://gutenberg.spiegel.de/buch/der-freiwillige-hofnarr-1539/2
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